

Mit Gamification spielend verändern
Gamification kann Veränderungsvorhaben erfolgreicher machen. Der Ansatz hilft, im Change die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass die Mitarbeiter den Wandel nicht mehr als Bedrohung sehen, sondern als Chance, um sich weiterzuentwickeln. Doch bei der Nutzung gibt es einige Prinzipien zu beachten.
Die zentrale Frage bei Verhaltensveränderungen ist, wie man Rahmenbedingungen schafft, die eine intrinsische Motivation erlauben, sodass der Mensch von sich aus willens und fähig ist, das Beste aus sich herauszuholen. Spiele erzeugen im positiven Sinne Stress und lösen eine Flow-Situation aus. Dadurch rufen sie bestimmte Verhaltensweisen hervor: Kreativität und Durchhaltevermögen zu zeigen, sich zu fokussieren und Scheitern als Chance zum Lernen zu verstehen.
Die gute Nachricht ist, dass mit Gamification das Verhalten tatsächlich spielerisch verändert werden kann. Die schlechte Nachricht ist, dass der Begriff häufig falsch verstanden und das Prinzip nicht wirksam in Change-Vorhaben angewendet wird. In diesem Artikel definieren wir Gamification, betrachten verschiedene Varianten, beschreiben wesentliche Prinzipien und nennen Beispiele für den Einsatz in Veränderungssituationen.
Was ist Gamification?
Der Grundgedanke ist, die Erfolgsmechanismen aus spielerischen Umgebungen, sportlichen Aktivitäten und Hobbies auf Tätigkeiten im beruflichen Alltag zu übertragen, um Menschen dazu zu bringen, auch im Job über sich hinauszuwachsen. Hierfür gibt es mehrere Varianten:
• Serious Games zielen darauf ab, dass der Spieler ein reales Problem löst, während er innerhalb eines klassischen Spiels voranschreitet. Mit dem Online-Spiel › „Fold.it“ gelang es zum Beispiel, die komplexe Suche nach körpereigenen Protein-Strängen so interessant zu gestalten, dass Tausende von Spielern sich dieser Herausforderung annahmen und Faltmöglichkeiten entdeckten, auf deren Suche die Wissenschaft seit Jahren war.
• Game Based Learning nutzt die Idee des Spielens, um Lerninhalte durch spielerische Interaktion unterhaltsamer, verständlicher und nachhaltiger zu vermitteln. Der zu lernende Inhalt hat dabei oberste Priorität. Der Spielspaß hat sich im Zweifelsfall dem Lernziel unterzuordnen. Mit „Apples & Oranges“ lernen Manager zum Beispiel, wie Wertschöpfung entsteht und leiten daraus ab, wie sie den Wertbeitrag ihres Bereichs verbessern können.
• Simulationen bilden eine reale Herausforderung in einem spielerischen Setting ab. Der Teilnehmer kann verschiedene Herangehensweisen an die Herausforderung testen. Es ist vollkommen okay, zu scheitern, zu lernen und es erneut zu versuchen, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen. Es werden ganz bewusst individuelle Fähigkeiten im Umgang mit dieser Herausforderung gefördert.
• Gamification selbst bezeichnet das Anwenden von Spiel-Prinzipien auf die grundsätzliche Gestaltung von Organisationen und das Miteinander von Menschen in Organisationen. Im Gegensatz zu den oben genannten Ansätzen wird also kein abgeschlossenes Spiel gebaut. Stattdessen werden Arbeitsprozesse und Dienstleistungen durch genau die spielerischen Elemente angereichert, die für unsere Verbundenheit mit Aktivitäten verantwortlich sind.
Bei allen vier Varianten geht es vor allem um die eigene Verbesserung und weniger um den Wettbewerb untereinander.
Es geht also nicht primär um Incentives und Punkte. Es geht auch nicht darum, den Wettbewerb als motivierenden Faktor auszunutzen.
Warum und wie soll man Gamification im Change einsetzen?
Durch den Einsatz von Gamification im Change sollen Rahmenbedingungen geschaffen werden, die es dem Einzelnen auf spielerische Art ermöglichen, den Change im Sinne aktiver Beteiligung als Chance für die eigene Weiterentwicklung zu nutzen. Dabei hilft die Orientierung an folgenden Prinzipien:
• Der Mensch zuerst: Bei Change in Organisationen stehen oft finanzielle Gründe und operationale Änderungen im Mittelpunkt, selten aber die Menschen. Gamification stellt den Menschen und sein Bedürfnis nach persönlicher Herausforderung in den Vordergrund.
• Der Mensch führt selbst: Im Spiel hat der Spieler die Kontrolle über sein Tun und somit einen Einfluss auf das Ergebnis. Das ist gut so, denn niemand möchte Spielball sein. Je mehr sich die Menschen ihrer eigenen Rolle im Wandel und allen damit verbundenen Herausforderungen bewusst sind, desto aktiver und positiver werden sie den Change betrachten und ihre eigene Learning Journey gestalten.
• Transparenz: Im Zustand von Dauer-Transformationen sollten Mitarbeiter unbegrenzten Zugang zu allen relevanten Informationen haben. Es ist daher wichtig, den Mitarbeitern die richtigen Tools und Möglichkeiten für einen schnellen, direkten, kontextbezogenen Austausch zu geben.
• Regeln: Bei stabilen Rahmenbedingungen tun sich Menschen leichter, ihre Komfortzone zu verlassen, Neues auszuprobieren und daraus zu lernen. Daher gilt: „Kein Spiel ohne Regeln.“ So erlaubt Gamification den Mitarbeitern im Change auch bei Rückschlägen eine vorwärts gerichtete Reaktion – so wie das Weiterspielen-Wollen nach dem „Game Over“.
Veränderung erfolgt aus Sicht der Gamification also nicht durch direkte Einflüsse oder Anweisungen, sondern durch eine Veränderung der persönlichen Rahmenbedingungen. Und Platz für spielerisches Verhalten ist fast immer.
Beispiele für Gamification im Change
Gamification kann im Change vielfältig eingesetzt werden. Der angestrebte Nutzen bestimmt dabei die Auswahl der Variante und ihre Ausgestaltung. Hier zwei Beispiele:
• Siemens (Plantville) und bekannte Autohersteller nutzen den Einsatz eines klassischen Spiels, um hierüber neue Regeln, Herausforderungen oder Marktsituationen zu benennen. Da es weniger als direkte Anweisung wahrgenommen wird, sondern eher als gegebene Spielsituation, lernen die Spieler, sich mit den neuen Rahmenbedingungen auseinanderzusetzen. Die Bereitschaft, diese neuen Bedingungen auch in der Realität anzunehmen und auch dort als Herausforderung und weniger als ein weiteres Problem zu verstehen, kann so maßgeblich erhöht werden.
• Die Einzelhandelssoftware Sell & Pick nutzt dieselben Mechaniken, die wir auch aus Spielen kennen, um komplexe Informationen individuell und in Echtzeit dem jeweiligen Nutzer bereitzustellen. Dabei nutzt man das Wissen aus der Spieleforschung, dass es nicht darum geht, dem Spieler alles auf dem Silbertablett zu präsentieren und ihn mit der Nase auf das nächste To do zu stoßen. Stattdessen schafft man gezielt die Rahmenbedingungen, die unsere intrinsischen Bedürfnisse nach Autonomie, Kompetenz, Sinn und Verbundenheit mit anderen triggern. Dadurch fördert man ein Verhalten, dass es den Mitarbeitern erleichtert, die eigene Rolle regelmäßig neu zu finden und wirksam auszufüllen. Das hierfür benötigte Mindset entsteht „automatisch“ durch Schaffen der entsprechenden Rahmenbedingungen, Tools und Regeln. Es handelt sich also nicht um eine einzelne Intervention in einem konkreten Veränderungsprojekt, sondern um einen Beitrag zur Veränderungsfähigkeit der Organisation.
Spiele schaffen ja auch nichts anderes als einen Raum, innerhalb dessen wir Menschen es lieben, ständig neu herausgefordert zu werden und unsere Komfortzone zu verlassen.
Wie kann HR beim Einsatz von Gamification unterstützen?
Als Experten für Menschen und Lernen sind Personaler bestens aufgestellt, um die Fachbereiche zu beraten,
• ob Gamification bei der jeweiligen Herausforderung sinnvoll ist
• welche Ziele mit Gamification realisiert werden können
• was die Vor- und Nachteile der verschiedenen Möglichkeiten sind
• wie die gewählte Variante für die Herausforderung passend ausgestaltet werden kann
• wie repräsentative Mitarbeiter in die Ausgestaltung einbezogen werden können
Als Sparring Partner für das Business kann HR helfen, den Mensch bei Veränderungsprozessen wirklich in den Mittelpunkt zu rücken, dadurch die notwendigen Rahmenbedingungen für intrinsische Motivation zu schaffen und zum Erfolg des Veränderungsvorhabens beizutragen.
*Die Artikel der Serie #NewChange sind zuerst in der Zeitschrift Personalwirtschaft erschienen // Personalwirtschaft │ Das Portal für den Job HR
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