Interkultureller Change

Interkulturelle Herausforderungen beim Change

Ziel dieser Studie war es, mit Hilfe von Erfahrungswerten von Manager:innen herauszufinden, inwieweit kulturelles Bewusstsein eine Rolle bei Veränderungsvorhaben spielt. 10 Expert:innen, welche sich alle in Führungspositionen befinden sowie große Veränderungsprozesse - wie Merger - miterlebt und/oder durchgeführt haben, wurden für diese Studie interviewt. Die Manager:innen arbeiten in den Firmen BMW, BCG, Land Rover Jaguar und  Mercedes-Benz, drei sind selbstständig in der Beratung und im Marketing.

Nach den Interviews erfolgt zunächst eine Betrachtung der Ergebnisse. Aus dem Gesagten werden Kernaussagen definiert, welche sich auf die Fragestellung beziehen, inwiefern kulturelle Unterschiede Change Prozesse allgemein beeinflussen und wo sich ein Kontext zu Unternehmensfusionen finden lasst.

Auszug der Kernaussagen aus den Interviews

In der Befragung wurden Kernaussagen definiert, die sich durch Überschneidungen häufiger ähnlicher Aussagen ergeben. Beispielsweise merkten 7 Personen von 10 an, dass Menschen generell Angst vor Veränderung haben. Eine weitere Kernaussage war, dass die Integration der Mitarbeiter wichtig ist, um Ziele zu erreichen. Auffällig ist, dass die Befragten die sozialen Kompetenzen der Führungskraft stark betonen. So wird deutlich, dass die menschliche Komponente essenziell ist, um Veränderungen durchzufuhren sowie soziale und kulturelle Integration zu schaffen. Die Kernaussagen waren: Die Vorbildsfunktion des Führenden sorgt für Motivation und Zusammenhalt sowie der richtige Umgang mit kulturellen Unterschieden sorgt für Erfolg in der Integration. In Bezug auf kulturelle Unterschiede in Veränderungsprozessen wird als Kernaussage definiert, dass einerseits zu wenig Bewusstsein für kulturelle Unterschiede herrscht,was Change negativ beeinflusst sowie andererseits, dass kulturelle Unterschiede das Unternehmensklima positiv beeinflussen. Dabei sagen 10 von 10 Personen negativ aus und 9 von 10 Personen positiv. Weitergehend betonen 3 der befragten 10 Personen, dass man sich individuell auf Situationen und Personen einlassen muss und nicht planen kann. Als weitere Kernaussage wurde definiert, dass Leitlinien bzw. ein Werteset positiv dazu beiträgt,um Multikulturen zu führen.

Zitate zur Kernaussage: Generell haben alle Angst vor Veränderung 
"Also es ist ja nicht so, dass jeder Mensch grundsätzlich bereit ist, Veränderungen umzusetzen. Eher hat der Mensch eigentlich immer ein relativ großes Beharrungsvermögen." 
"Das ist auch total wichtig. Aber die meisten haben Flexibilität nicht. Also wenn du dir die Natur des Menschen anguckst, muss man fairerweise sagen wir mögen keine Veränderung. Es gibt vielleicht Sensations-Seeker, die sind immer gleich vorne mit dabei. Die kannst Du aber auch nicht für alles nutzen, aber an sich mögen wir nicht so gerne Veränderung." 
"Und das ist ein zentraler Aspekt von Führung, Kommunikation et cetera. Das heißt, über positive Erfahrungen, über Engagement von Menschen kann man sicherstellen, dass dieser Change nicht als Fremdkörper empfunden wird." 
"Der größte Grund, warum viele dieser Fusionen, Mergers, Integrationen scheitern ist der Beibehaltungsdrang der Handelnden" 
"Ich merke, Menschen haben immer Angst vor Veränderungen. Viele Menschen. Und
das bringt erst einmal eine Unsicherheit."
 

 

Zitate zur Kernaussage: Die Integration der Mitarbeiter ist wichtig, um Unternehmensziele zu erreichen

"Du musst die Menschen mitnehmen. Du musst ganz klar kommunizieren. Du musst dich dann fokussieren auf die Themen, die du angehen möchtest und musst. Und das ist für mich fast das Wichtigste. Du musst die Leute, die dabei sind, davon zu überzeugen, dass das die richtigen Themen sind und dann die an den Themen mitarbeiten lassen."
"Wir haben einen Change Monitor aufgesetzt, der alle drei Monate misst, die Zufriedenheit der gesamten Firma und daraus abgeleitet. Wir nennen es „Complementary Target“. Also gemeinsame Ziele."
"Wenn die Leute merken, dass du nicht gleich in der gleichen Weise mitziehst, dann wird das nichts. Das hat mit Führungsstil zu tun und mit Vorbild."
"Das heißt, du musst den Rahmen vorgeben, der erst mal Klarheit gibt, wo sie sich daran festhalten können aber auch genug, sage ich mal, um noch Fleisch am Knochen zu bekommen, um einen Teil davon selber beizutragen."
"Vielleicht auch noch ein großer Erfolgsfaktor: Einbeziehung der Mitarbeitervertreter."
"Wenn Sie sich heute KI und digital getriebene Veränderungsprozesse angucken, da ist Konkurrenzdenken eigentlich das Dümmste, was sie machen können. Hier geht es um Kooperation und um ein Miteinander."
"Um nochmal auf das Thema Führung zurückzukommen, was Führung bewerkstelligen muss, ist, dass Menschen in den Mittelpunkt von Veränderungsprozessen geschoben werden und nicht Themen oder Inhalte. Man muss Menschen gestatten, Interesse an den Ergebnissen zu haben und das Gefühl zu haben, sie selbst beeinflussen zu können, und Teil dieser Veränderungen zu sein."
"Um so ein Wir-Gefühl zu erzeugen – je nachdem, wie es jetzt möglich ist – sich in Teams austauscht, die NICHT alleine zu lassen."
"Was es immer gab, ist natürlich diese Vision: Wo wollen wir hin? Und das fängt natürlich dann erstmal mit dem Top-Management an, dort wird das erarbeitet. Du holst dann auch von den Teams Leute mit dazu, um es eben auch umsetzbar zu machen."

 

Zitate zur Kernaussage: Soziale Kompetenzen helfen, Change nachhaltig umzusetzen
"Du musst die stärksten Leute draufsetzen. Du musst die besten Leute finden, die jetzt mit einem anderen Partner auch schon gut umgehen können in den verschiedenen Funktionen."
"Du musst natürlich immer die Ansprache finden für die jeweiligen Leute."
"Also Fehlertoleranz und auch solche Fragen ist ganz wichtig. Leute machen ja nicht Fehler, um dich zu ärgern oder um was bewusst nicht funktionieren zu lassen, sondern Fehler passieren und zu den Leuten zu sagen, Ja super, wir haben was draus gelernt und jetzt machen wir weiter und vergessen das sofort auch wieder. Das ist eine Eigenschaft, die hilft auch bei Change-Prozessen."
"Also etwas, das Thema ist, dass nicht jede Führungskraft ein guter Kommunikator ist und nicht jede Führungskraft gut auf allen Gebieten."
"Du hast mehr Chancen, wenn du sozial sauber tickst, interkulturell zu arbeiten, als wenn du sozial nicht ganz so sauber tickst."
"Eben diese Offenheit, diese Bereitschaft zum Perspektivenwechsel, Empathie. Und dann am Ende des Tages ist es einfach die Erfahrung."
"Da muss Kompetenz im Projektteam sein, damit das gelingen kann. Und das finde ich einen super spannenden Ansatz, weil in der Regel wird es dann doch vergessen."
"Und das hilft ihnen, wenn Sie Menschlichkeit zeigen und mit Empathie agieren."
"„Es funktioniert nicht. Ich gebe das zu und ich beende das jetzt. Und in ein, zwei Monaten fangen wir was Neues an“. Dann hat er das neu aufgesetzt und danach hat es funktioniert. Das ist Größe. Auch einfach zu wissen, wenn sie auf der falschen Baustelle unterwegs sind."
"Keine ganz klare, direkte Ansprache, sehr, sehr viel zuhören, immer wieder nachbohren, nicht direkt mit der ersten Antwort zufriedengeben."
"Führungskräfte eigentlich die Schuldigsten am Scheitern sind, weil, wenn man es selbst nicht vorlebt, wenn man selbst alles infrage stellt und nicht entsprechend positiv voranmarschiert, dann kann man das sicherlich vom Rest des Teams und von den Mitarbeitern überhaupt nicht verlangen."

 

Zitate zur Kernaussage: Zu wenig Bewusstsein für andere Kulturen beeinflussen den Change negativ 
"Obwohl es eigentlich machbar ist, aber das hängt daran, dass du verschiedene Sprachen hast, verschiedene Kulturen und die in ein Haus zu bringen. Schwierig."
"Die haben jahrelang kaum miteinander kommuniziert. In dem Fall vom Top nach unten. Die haben sich nicht gemocht, die zwei Chefs. Und das hat sich da unten durchgesetzt war auf allen Arbeitsebenen."
"Ganz viele Firmen scheitern in China, weil sie versuchen, deutsche Prozesse mit deutschem Hintergrund dort einzusetzen."
"Ja, wir (Deutschen) waren so stolz drauf aber von dem Perfektionismus der Chinesen waren wir weit entfernt, und zwar meilenweit entfernt."
"Am Ende des Tages ist festzustellen gewesen, dass die amerikanische Kultur und die europäische deutlich anders war. Ich glaube, dass beide Seiten tatsächlich andere Vorstellungen hatten, was daraus entstehen soll."
"Sie wussten zwar, die Deutschen waren da, aber sie saßen irgendwo im obersten Stock vom Gebäude in Auburn Hills und waren total abgegrenzt von der Mannschaft. Man hat das Gefühl gehabt, die seien etwas Besseres und was Besonderes. Auch deswegen kamen die Amerikaner nie richtig in der Firma an."
"Japan im Normalzustand einer Firma, ja gar einer erfolgreichen Firma, in ruhigem oder mittelruhigem Fahrwasser, da ist jede Veränderung schwierig. Wir hatten einen schönen Begriff: „Das ist wie schwimmen in Öl“."
"Der Deutsche macht gerne eines, wenn er merkt, etwas funktioniert nicht: Geht nicht, kann nicht sein. Nochmal doppelt drauf. Ja, das machen wir gerne. Da lachen übrigens die Chinesen immer über solche Sachen. Der Deutsche hat einen Plan und den setzt er um. Und wenn dabei die Brücke einfällt, auf der er steht, stampft der lieber noch mal auf, anstatt umzudrehen, weil es muss ja richtig sein."
"Ja, das ist die Normalsituation. „Das haben wir schon immer so gemacht. Das ist schwierig“. Das Thema haben wir in Deutschland auch – das ist in Japan höchst ausgeprägt."
"Da muss man sich dessen definitiv bewusst sein, dass sowas über solche kulturellen Distanzen und Unterschiede definitiv anstrengender ist, mehr Zeit und mehr Geld kostet, als wenn man das in einem homogenen kulturellen Umfeld machen würde. So ein Change-Projekt oder Merger."
"Und die Folge ist, je mehr Don'ts, je mehr Gesetze, je mehr sie versuchen, Menschen zu sagen „Das darfst du nicht“, desto mehr wandert das in den Untergrund."
"Die Mitarbeiter, die nur in der Praxis sind, haben teils das Verständnis nicht füreinander."

 

Zitate zur Kernaussage: Der richtige Umgang mit verschiedenen Kulturen trägt zum Erfolg von Change-Prozessen bei
"Also ein amerikanisches Unternehmen, man merkt, wenn man darin arbeitet, wie stark das eigentlich ist, weil alle positiv denken und solution-orientiert sind.2
"Lass mal Ideen aus China nach Deutschland bringen. Und nicht immer Deutschland ist gut, wir kopieren 1:1 nach China, weil vielfach haben die auch bessere Ideen."
"Ja, das erste Don‘t ist zu glauben, dass sein eigener Weg der richtige ist. Und daraus das Do: embrace cultural diversity."
"Du musst, glaube ich, immer den Nenner finden. Und ich sage eigentlich immer, wenn du den Pullover XL hast und deine Mama XS, dann hilft es nichts, wenn du den M kaufst, weil dann ist er dir zu groß und deiner Mama zu klein. Ja, das ist genau
das kulturell."
"Verständnis zu haben für die andere Kultur zunächst einmal. Erst mal zu versuchen, überhaupt zu verstehen, wie ticken die anderen. Aber viele haben schon ein Problem damit, sich vorzustellen, wie sie selber ticken. Daher ist es schwierig, das zu verlangen."
"Das Dritte ist, wenn sie denn lange genug im Land sind, merken Sie, dass Leute sich völlig anders verhalten, im gleichen Kontext."
"Das heißt, wenn es um interkulturelle Change-Prozesse oder einfach nur um das normale Zusammenleben geht, dann ist es tatsächlich einfach notwendig, dass auf beiden Seiten diese interkulturelle Erfahrung ein Stück weit da ist und je mehr, desto besser."
"Kultur hat nichts mit International zu tun. Also selbst innerhalb Europas gibt es sehr viele, deutliche Unterschiede."
"Toleranz. Akzeptanz. Und sich immer – das funktioniert im Kleinen wie im Großen – auf die Stärken der anderen Kultur zu konzentrieren."
"Rücksichtnahme und Respekt, wie man es als Kind mal gelernt hat. Das reicht völlig, der Rest ist vollkommen egal. Und Zuhören, ganz wichtig."
"Toleranz. Akzeptanz. Und sich immer – das funktioniert im Kleinen wie im Großen – auf die Stärken der anderen Kultur zu konzentrieren."

 

Fazit

Die Fragstellung, inwiefern kulturelle Unterschiede den Erfolg von Change allgemein beeinflussen beschäftigte mich schon länger in meiner Studienzeit. Wo sich diese Herausforderungen im Kontext von Unternehmensfusionen wiederfinden, fand ich aufgrund der Komplexität aber auch aufgrund der immer wiederkehrenden Thematik in Unternehmen besonders spannend. Die Ergebnisse lassen sich aus der qualitativen Forschung der Studie ableiten: kulturelle Herausforderungen können Change-Prozesse einerseits negativ beeinflussen, indem sie die Kommunikation zwischen den Menschen verkomplizieren, es zu Missverständnissen und Konflikten kommen kann, andererseits können verschiedene Arbeitsmethoden der jeweiligen Menschen auch zu positivem Einfluss in Veränderungsprozessen führen.

In den Interviews wird sehr deutlich, dass Veränderungsprozesse in Unternehmen aufgrund der fehlenden Integration verschiedener Kulturen eine hohe Misserfolgsrate aufweisen. „Man übernimmt Unternehmen und der Größere absorbiert im Grunde genommen nichts, sondern packt einfach seine Organisation drauf. Und das funktioniert bei der Kultur leider nicht“ ist ein beschriebenes Problem, welches in den Interviews herausstach. Hier wird die Wichtigkeit von Integration und Führung deutlich. Das Wissen über kulturelle Unterschiede kann dazu beitragen, Schwierigkeiten bei Zusammenschlüssen zu minimieren. Bereits in der Literatur findet man zahlreiche Hinweise auf die Schwierigkeit, Veränderungsprozesse in Kombination mit kulturellen Unterschieden zu managen, jedoch gibt es in dem Feld nur bedingt Lösungsansätze. Ein Ansatz zur Verbesserung für ein gemeinsames Verständnis kann sein, das bestehende kulturelle Wissen unter den Mitarbeitern zu fördern, indem regelmäßig Team-Buildings mit dem Fokus auf Kulturunterschiede durchgeführt werden. Auch das Erarbeiten eines gemeinsamen Leitfadens außerhalb des Code of Conducts kann dazu führen, interne Regelungen aufzustellen, welche kulturelle Unterschiede mit beachten.

Eine erstaunliche Erkenntnis in dieser Studie ist, dass erheblich wenig theoretische Modelle in den Top-Management-Ebenen verwendet werden und mehr auf Erfahrungswerte vertraut wird. Beispielsweise kennen nur 4 von 10 Befragten theoretische Change-Modelle. Wie das die Umsetzung von Change beeinflusst, kann hier, aufgrund des zu geringen Datensatzes, nicht interpretiert werden. 
Weitergehend ist auffällig, dass die Interviewten betonen, dass immer mehr auf die Soft-Skill Faktoren der Führenden geachtet werden sollte. Dabei sprechen 9 von 10 Experten die Relevanz von Soft-Skill-Faktoren der Führenden als Erfolgsfaktor an. Eine schwache Menschenkenntnis und wenig Empathie können in der Praxis zu Behinderungen und Scheitern von Projekten führen. Vor allem bei Unternehmensfusionen führt es zu Problemen, wenn die Zusammenarbeit von Mitarbeitern und Führungskräften nicht funktioniert. 

Diese Arbeit hat nicht nur Spaß gemacht, sie hat mir (und hoffentlich auch euch) wertvolle Einblicke in die Ebene des Top-Managents und den Umgang mit Change gegeben. Dieser Datensatz ist nur ein kleiner Anfang, denn Transformationen sind zu komplex, um sie in einem Umfang wie diesem genau zu erforschen. Ich hoffe, dass meine Bachelorarbeit totzdem dazu beitragen kann, die Wichtigkeit für Interkulturelles Verständnis und Diversität zu fördern - und wer weiß, vielleicht forsche ich bald an der Thematik noch weiter... 

 

28. April 2022

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